GESCHICHTEN

Liebe bis über den Tod hinaus
Auf einer Wiese, deren taunasse Gräser in den ersten Sonnenstrahlen glänzten, döste ein hochgewachsener Elf neben seiner Drachin. Wie friedlich die sonst so stürmische Twilight da lag.
Ein Gebüsch raschelte in unbemittelter Nähe. Raven grinste *Gib dir keine Mühe, Falke. Du kannst mich nicht erschrecken!* Er hatte die Augen immer noch geschlossen und erwartete jetzt ein Maulen seiner Geliebten, doch er hörte nur ein schlangenartiges Zischen. Erschrocken öffnete er die Augen und erstarrte: Was sich da auf seine Drachin und ihn zuschlängelte, war unbeschreiblich. Ein riesiges Wesen, bei dem jeder ausgehen würde, das es gefährlich war, mit schlangenähnlichem Körper. Nur hatte dieses Wesen einen mit spitz zulaufenden Stacheln besetzen Schwanz, zwei ebenso spitze Fangzähne, und Angst einflößende rote Augen mit schwarzen Schlitzen. Die „Haut“ war dunkelgrün bis braun und ledern.
Raven stieß Twilight seinen Ellbogen in die Seite, wofür sie sich normalerweise rächen würde...** Twilight! Wach auf...!** Sie wollte ihn gerade anherrschen, da erblickte sie das Wesen, das sich ihnen hungrig näherte. *Starfire! Falke...! Wir brauchen Hilfe! Ein unbekanntes Wesen greift uns an!*
Äste und Zweige wurden zur Seite geschlagen, als jemand wie vom Blitz getroffen durch den Wald rannte. Falke keuchte, sie hatte die Nachricht als erste erhalten: Raven und Twilight waren in Gefahr!
Die junge Elfe, die ihr Herz voll und ganz an Raven verloren hatte, obwohl das Paar nicht hätte unterschiedlicher sein können, hatte das Gefühl um Leben und Tod zu rennen. Angst breitete sich aus...in Gedanken, im Herz...im Geist.
Ihr Gesicht war verziert mit einem langen Striemen, es war ein Ast gewesen, als sie ihn zurück knicken wollte, war er an ihrem Gesicht entlang geratscht.
Schneller! Schneller Falke! Sie wurde schneller, noch schneller und eigentlich mussten sich ihre Beine langsam beschweren, denn diese Geschwindigkeit waren sie nicht gewöhnt! Doch Falke erlaubte sich keine Verlangsamung, nichts durfte sie aufhalten. Ein Reh schaute sie mit erschrockenen Augen an, als sie an ihm vorbei stürmte. Es hatte keine Angst, denn es wusste, sie war eine Freundin, eine Schwester...
Endlich geriet der Geruchihres Gefährten in ihre Nase, davor war sie seinen Spuren gefolgt, die sie auf den Boden und an anderen Kleinigkeiten fest machen konnte. Oh, wie dankte sie den Hohen sie mit Wolfsblut ausgestattet zu haben. Doch dann erschrak sie: Blut! Ravens Blut! Sie konnte es genau riechen. Hier irgendwo in der Nähe musste es zu einem Kampf gekommen sein. Ihr Herz verkrampfte sich noch mehr. Bei einer Lichtung stoppte sie. Ihre Augen fassungslos aufgerissen, denn was sie da vor sich sah...das konnte sie einfach nicht glauben. Was war das für ein Wesen? Doch darüber konnte und wollte Falke sich nicht den Kopf zerbrechen, schließlich musste sie Raven zu Hilfe eilen. Ihre Lanze fest umschlungen pirschte sie sich an das Wesen heran. Nun erkannte sie auch Ravens Gestalt und musste schlucken, denn ihr Geliebter war schwer zugerichtet und...wo war Twilight? Wieso haben die zwei sich denn nicht in die Luft vor dem Wesen gerettet? Doch ihre Fragen waren wie weggewischt, als sie Twilight auf dem Boden liegend erblickte. Dieser riesige Wurm lebte aber noch, das machte alles viel schlimmer. Falke versuchte sich zu konzentrieren, sie musste alles tun, um Raven und Twilight zu retten. „Hey du! Ja genau du! Du widerlicher Wurm!“ schrie sie das Wesen an und lenkte so die Aufmerksamkeit auf sich. In diesem Augenblick hätte Raven sie dafür am liebsten übers Knie gelegt, was fiel ihr bloss ein? Aber das Elfenmädchen zeigte keine Angst, mit einem lauten Kriegsruf stürmte sie auf das Wesen zu. Ein paar Meter vor dem Wesen, welches sich anscheinend schon auf ein saftiges Mal freute, sprang sie ab und ihre Lanze bohrte sich in das Rückrad des Wurmes. Das Wesen schrie auf, dieser Schrei ging durch Mark und Bein. Falke hing an ihrer Lanze und versuchte auf den Körper ihres Feindes zu klettern. Blut spritzte aus der Stelle heraus, wo Falke getroffen hatte. Lange würde das Wesen nicht mehr leben, denn auch Twilight und Raven hatten es verletzt. Es wirbelte hin und her, um die Elfe von sich weg zu schleudern, welche allerdings schon längst auf seinem Körper sicher angekommen war. Ein surrendes Geräusch war zu hören, als Raven sein Schwert in Richtung des einen Auges des Wesens schmiß und glücklicherweise traf. Der Wurm war von den Schmerzen so abgelenkt, das er nicht merkte, wie Falke sich immer mehr seinem Kopf näherte. Mit einer schnellen Bewegung stieß sie mit ihrer Lanze kräftig zu und der Wurm schrie ein letztes Mal auf. Das Wesen ließ den Kopf auf den Boden fallen und blieb dort regungslos liegen. Keine Sekunde zögerte Falke und sprang von dem Leichnam ab, um zu Raven und seiner Drachin zu laufen. Raven hatte sich an Twilight angelehnt und sah sehr blass aus, außerdem konnte Falke viele schwere Wunden ausmachen. „Falke, Kind, wie konntest du nur! Du hättest dabei ...“ Weiter kam er nicht, denn Falke unterbrach ihn. „Hast du etwa gedacht, ich lasse euch im Stich?“ und fiel neben ihrem Gefährten auf die Knie. Eine ganze Weile Stille und dann sendete sie. *Liebster...* Er schaute sie aus glasigen Augen an. „Falke...Kleines...nein bitte...weine nicht...“ Die blauen sonst strahlenden Augen des Mädchens waren mit Tränen gefüllt. Vor allem er war schwer verletzt, Twilight hatte Wunden an ihren Pranken und Flügeln, doch seine Wunden waren zu nah am Herzen. Vorsichtig legte Falke ihm einen Arm um und beugte sich zu ihm runter. „Keine Angst! Mutter und Nachtschwarz werden dich heilen und versorgen...es wird alles wieder gut...“ Seine Hand wanderte zu ihrem Gesicht und strich über den Striemen. „Falke...du weißt es...ich...kann nicht durchhalten...ich könnte schon tot sein... wenn ich nicht gewollt hätte, dich noch mal zu sehen...bevor ich gehen würde...“ – „Nein Raven! Du musst durch halten ....bitte!“ Die ersten Tränen liefen ihr übers Gesicht. Gebüsche raschelten und Falke drehte sich um und erblickte viele andere ihres Stammes, darunter auch Heiler. Starfire näherte sich ihnen, doch Raven sendete ihr entschlossen. **Nein Anführerin! Spürst du es nicht? Nur mein Wille kann mich noch in dieser Welt halten und er wird vergehen! Lass mich die letzten Minuten meines Lebens mit meiner Geliebten verbringen!** Die Anführerin starrte ihn erschrocken an, sie wollte etwas erwidern, doch er hatte recht. Twilight raffte sich mühselig auf und rückte von dem Pärchen weg, so konnte Starfire ihre Wunden heilen und die beiden konnten ...alleine sein.
„Raven...Mutter muss dich heilen! Wieso hast du es ihr verboten!“ fragte seine Liebste verstört, sie hatte die Mimik der beiden mitbekommen, wenn auch nicht das Gesendete.
Raven nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie lange. Die Schmerzen zerrten an ihm und er würde sterben. ** Falke...Liebste...ich muss gehen...die Hohen wollen es so! Nimm...meinen Seelennamen an dich...ich bin Drake...**
Falke schluchzte. Die Tränen nahmen ihren Lauf, die Wangen und den Hals hinunter. ** Drake...** Eine Wärme und Liebe füllte sich in Ravens Herz, Geist und Körper aus. Ihr vorsichtiges Senden, in dem nur Liebe versteckt war...gab ihm Kraft, aber nicht mehr die Kraft zu leben. ** Ich bin Feré...ich liebe dich...über alles mit Geist, Körper und Seele. ** Er lächelte, ein warmes Lächeln das er nur ihr schenkte. ** Feré...ich werde immer bei dir sein! Immer...wenn du mich brauchst...wir werden uns im Palast wieder sehen...** Er schloss die Augen und sie wimmerte, drückte ihn, versuchte, ihn aufzuhalten...er konnte sie doch nicht einfach alleine lassen!
** Vergiss nicht Feré, so wie du... liebe ich dich mit Geist, Körper und Seele.**
Eine letzte sanfte Berührung durch den Seelennamen und Raven verließ endgültig seinen Körper. Falke spürte sofort, er war gegangen. Seine Hände die um ihr Gesicht geschlossen waren, fielen herunter und bewegten sich nicht mehr. Um sie herum waren nun alle. Alle Stammesmitglieder! Die Nachricht hatte alle erreicht. Doch Falke nahm nichts mehr war, die Hände ihres Gefährten fest umschlungen, saß sie vor seinem toten Körper und starrte ins Leere. „Nein....Raven....Nein.... NEEEEEEEEEEEINNNNN!“ Ihr Schrei zerfetzte die Luft, ihr Herz verkrampfte sich und sie brach zusammen. Mit dem Gesicht an Ravens Brust weinte sie bitterlich, ihre Schluchzer waren herzergreifend. Ihre Tränen vermischten sich mit seinem Blut.
Jemand kam auf sie zu und legte einen Arm um sie. Ihre Eltern und dahinter ihre Freunde, alle in dem Arm eines Liebenden...?
Aber Falke wollte es nicht! Sie wollte keinen Trost von dieser Art! Sie schüttelte den Arm ab, der um sie gelegt wurde, blickte zu ihrer Familie und ihren Freunden empor und meinte mit starrem glasigen Blick. *Lasst mich allein! Bitte, lasst mich in Ruhe...* Ihre Stimme war schwach, fast erschreckend wie abweisend sie wirkte.
Dann wand sie sich Raven zu, erhob ihren Kopf und ihr Wolfsheulen schallte durch jede Ecke des Waldes. Die Drachenreiter und Baumelfen traten erschrocken zurück, als plötzlich von vielen Seiten Wölfe aus dem Wald kamen und sich zu Falke gesellten. Viele knurrten die Elfen kurz an, doch ihr Instinkt sagte ihnen, niemand würde es wagen sie anzugreifen. Die Drachen der Elfen hatten das Wesen, welches Raven getötet hatte, weggeschleppt. Twilight war nirgends zusehen, sie war so schnell verschwunden wie es nach der Heilung möglich gewesen war. Selbst sie empfing das Heulen Falkes und wusste auch sofort von wem es stammte.
Mitten auf der Lichtung lag der tote Körper eines Drachenreiters in den Armen seiner Liebsten.
Falkes Wolfsheulen vereinte sich mit dem der Wölfen und ihre Tränen liefen und es schien als ob sie niemals mehr aufhören würden zu fließen.
Das war Falkes Trost! Der Trost, den Ihr Wolfsblut brauchte. Und diesmal ließ sie es zu, alles um sich herum zu vergessen und mit den Wölfen eins zu werden, sie ließ ihrem Wolfsblut freien Lauf und verabschiedete sich auf ihre Weise von dem Elfen ihres Herzens.